Ikonisches Polizeifoto: Trumps „Mug Shot“ wird zu einem Symbol für das Jahr 2024  (2024)

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Stand: 10.04.2024, 11:13 Uhr

Im US-Wahlkampf ist das Polizeifoto von Donald Trump allgegenwärtig. Seine Anhänger kaufen Anstecker, Mützen oder Shirts mit dem Foto – der Mug Shot ist ein Symbol des Trotzes.

Conway (South Carolina) – Nachdem Quinzell Williams in der Nähe einer Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump aus einem Uber ausgestiegen war, stutzte ein vorbeifahrendes Paar. „Ist es Ihnen nicht peinlich, das zu tragen?“, fragten sie, erinnert sich Williams. Er trug ein T-Shirt, auf dessen Vorderseite das Polizeifoto von Donald Trump aus Fulton County, Georgia, prangte. „Nein, nein, nein, nein“, antwortete er an jenem Tag im Februar. „Ich trage es mit Stolz.“

Das Polizeifoto, das das Gefängnis im vergangenen August veröffentlichte, nachdem die Staatsanwaltschaft Trump wegen illegaler Verschwörung zur Umkehrung seiner Wahlniederlage 2020 in Georgia angeklagt hatte, ist für die Anhänger des ehemaligen Präsidenten zu einer Ikone geworden. Sie tragen T-Shirts, die Trumps finsteren Blick zeigen. Sie haben Tassen und Kühltaschen der Trump-Kampagne gekauft, auf denen das Foto abgebildet ist. Einige der Artikel sind im gleichen kolorierten Stil gehalten wie Barack Obamas ikonisches HOPE-Emblem von 2008.

Trumps Polizeifoto als Symbol des Trotzes: „Wir durchschauen all die Anklagen.“

Für viele von ihnen ist das Polizeifoto zu einem Symbol des Trotzes geworden – die gleiche Gegenreaktion auf die Strafverfolgung, die Trump als politisiert darstellt, was ihm hilft, seine Unterstützung in den Vorwahlen der Republikaner zu festigen. Neben dem Fall in Georgia wurde Trump in New York wegen Fälschung von Unterlagen angeklagt, um angeblich eine Schweigegeldzahlung an eine Schauspielerin aus einem p*rnofilm zu vertuschen; in Washington wegen Beeinflussung der Wahlergebnisse 2020; und in Florida wegen falschen Umgangs mit geheimen Dokumenten und Behinderung der Justiz – insgesamt 88 Anklagepunkte in vier Fällen.

„Das Tragen des Shirts ist ein Mittelfinger an all die Anklagen“, sagte Orlando Perez, ein Maschinenbaustudent, der auf dem Parteitag der Republikaner in Florida eines bekam. „Wir durchschauen all die Anklagen, die gegen ihn erhoben werden, die Lügen und den Mist. Das macht ihn stärker.“

Trump erzählt weiterhin, dass US-Wahl 2020 manipuliert worden sei

Für einige Trump-Kritiker ist das Foto eine beunruhigende Zusammenfassung eines angeblichen Verhaltens, das sie als abstoßend empfinden – und es hat die Sorge vor einer zweiten Amtszeit Trumps geschürt. Auf seiner Wahlkampftour verbreitet Trump weiterhin falsche Behauptungen, dass die Wahl 2020 gegen ihn manipuliert wurde, während die Bemühungen, seine Niederlage rückgängig zu machen, vor Gericht ausgetragen werden. Er hat versucht, Richter zu diskreditieren, oft ohne Beweise für seine Behauptungen. Trumps eigene Berater räumen insgeheim ein, dass die Anklagen ihm bei der Wahl schaden könnten.

„Wir müssen einen Schritt zurücktreten und unsere Augen aus dem Nebel dessen befreien, was Trump von sich gibt, und erkennen, dass er sich nicht von jedem anderen Angeklagten unterscheidet“, sagte Michael Steele, ein ehemaliger Vorsitzender des Republikanischen Nationalkomitees, der ein lautstarker Kritiker von Trump geworden ist. „Bei der Wahl wird es schwieriger, denn wie wir bereits in den Vorwahlen gesehen haben, können Unabhängige und Wähler der Mitte das nicht gutheißen und sind in vielen Fällen davon abgestoßen.“

Trump verbreitete Polizeifoto aus Georgia in den sozialen Medien – meistverkauftes Merchandise

Der New Yorker Strafprozess soll am 15. April beginnen, der erste für einen ehemaligen Präsidenten. Trump hat seine rechtlichen Probleme in seinem Wahlkampf in den Vordergrund gestellt und das Fahndungsfoto aus Georgia in den Mittelpunkt seiner Bemühungen gestellt. Kurz nachdem die Behörden das Foto aufgenommen hatten, verbreitete er es in den sozialen Medien mit der Aufschrift „NEVER SURRENDER“ (Niemals aufgeben). Nach Angaben von Beratern war dies der beste Tag für die Online-Spendenaktion der Kampagne, und es ist nach wie vor der meistverkaufte Artikel im Online-Merchandise-Shop der Kampagne.

Neben den offiziellen Werbeartikeln der Trump-Kampagne findet sich das Verbrecherfoto auch auf Mützen und Trucker-Hüten, Goldmünzen, Sammelkarten und 2-Dollar-Souvenirscheinen wieder. Es gibt Ansteckbuttons und T-Shirts mit der Aufschrift „WANTED for a second term“ und „WANTED by the FBI for Making America Great Again“ oder „NOTORIOUS DJT“.

Im Dezember warb collecttrumpcards.com, das digitale Sammelkarten von Trump verkauft, für ein NFT-Set mit der Aufschrift „Mugshot Edition“. Einer ausgewählten Gruppe, die bereit war, 100 digitale Sammelkarten zu kaufen, wurden physische Sammelkarten in limitierter Auflage angeboten, eine mit „einem Stück von Präsident Trumps Anzug aus dem MugShot“ und eine andere mit „einem Stück von Anzug und Krawatte“, so die Website.

Republikanischer Angeordneter trug Shirt mit Trump-Fahndungsfoto bei Biden-Rede

Ein Teilnehmer der Kundgebung in Conway, South Carolina, fügte seinem Hemd von sich aus den Schriftzug „Not Guilty“ hinzu. Auf der Conservative Political Action Conference in der Nähe von Washington zu Beginn dieses Jahres entrollte ein Trump-Anhänger im Zwischengeschoss der Lobby des Gaylord National Resort ein riesiges Banner mit einem Fahndungsfoto, woraufhin „USA! USA!“ skandiert wurde. Am 7. März trug der republikanische Abgeordnete Troy E. Nehls bei der Rede zur Lage der Nation ein Mug-Shot-T-Shirt unter einem Blazer und einer Fliege mit der amerikanischen Flagge.

„Präsident Trumps Polizeifoto soll das amerikanische Volk daran erinnern, dass Joe Biden unser Justizministerium als Waffe gegen seinen Gegner einsetzt, und dass Präsident Trump trotz dieser beispiellosen politischen Angriffe weiter dafür kämpft, unsere Grenze zu sichern, unsere Wirtschaft wieder aufzubauen und das Chaos zu beenden, das Bidens Schwäche auf der ganzen Welt verursacht hat“, sagte Karoline Leavitt, eine Sprecherin der Trump-Kampagne.

Die beiden Bundesverfahren gegen Trump wurden von einem vom Weißen Haus unabhängig agierenden Sonderstaatsanwalt eingeleitet. Zwei der Verfahren gegen ihn wurden von lokalen Behörden angestrengt, ohne dass es Beweise für eine Abstimmung zwischen ihnen gab.

Unklar, wie Anklagen gegen Trump US-Wahl beeinflussen könnten

Die politischen Auswirkungen der Strafverfolgungen auf die Parlamentswahlen im November sind unklar. In einer Reuters-Ipsos-Umfrage vom Februar gaben 55 Prozent der Amerikaner an, dass sie Trump im Jahr 2024 nicht wählen würden, wenn er von einem Geschworenengericht wegen eines Verbrechens verurteilt würde. Eine im März durchgeführte Yahoo-YouGov-Umfrage ergab, dass die registrierten Wähler zu 43 Prozent für Trump und zu 41 Prozent für Biden stimmten. Auf die Frage, wie sie abstimmen würden, wenn Trump wegen eines schweren Verbrechens verurteilt würde, lag Biden jedoch mit 45 Prozent zu 40 Prozent vorn.

Der Meinungsforschungsexperte Mark Blumenthal gab zu bedenken, dass hypothetische Umfragen nicht immer aussagekräftig sind. 1998 und 1999 sagten die Amerikaner, dass sie einen Rücktritt von Bill Clinton eher befürworten würden, wenn das Repräsentantenhaus ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn einleiten würde, aber die Unterstützung für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton nahm danach nicht zu.

Zu Beginn dieses Jahres deutete Trump an, dass schwarze Wähler ihn wegen seiner Anklagen und seines Fahndungsfotos mögen. Diese Äußerungen wurden von Gruppen wie der NAACP verurteilt, weil sie mit Stereotypen spielen, die Schwarze als Kriminelle bezeichnen.

Mitchell Stephens, ein emeritierter Professor für Journalismus an der New York University, sagte, das Fahndungsfoto zeige Trumps Fähigkeit, aus einem negativen Ereignis Kapital zu schlagen. „Wenn Donald Trump eine politische Fähigkeit hat, dann die, offensichtliche Bereiche zu nehmen, in denen er schlechte Arbeit geleistet hat und in denen er falsche Dinge getan hat, und zu versuchen, sie in positive Dinge für sein Publikum zu verwandeln, für seine Anhänger, die seinen Trotz zu genießen scheinen“, sagte Stephens. „Das ist ein ziemlich gutes Beispiel dafür.“

Verzögerung bei Gerichtsprozessen gegen Trump

Während der Prozess gegen Trump in New York bald beginnen soll, ist der Zeitpunkt für andere Prozesse noch ungewiss. Der Prozess in Washington ist auf Eis gelegt, während der Oberste Gerichtshof Trumps Argument prüft, dass er für seine Handlungen als Präsident immun gegen Strafverfolgung ist. Richterin Aileen M. Cannon hatte den Beginn des Prozesses in Florida ursprünglich für Mai angesetzt, aber es ist so gut wie sicher, dass dieser Termin verschoben wird. Die Strafverfolgung in Fulton County wurde durch Fehlverhaltensvorwürfe gegen Bezirksstaatsanwalt Fani T. Willis verzögert, die dazu führten, dass der von ihr ernannte Sonderstaatsanwalt den Fall verließ.

„Er hat bereits gesagt, dass er die meiste Zeit dieses Jahres in einem Gerichtssaal und nicht auf einer Wahlkampftour verbringen wird“, sagte Nikki Haley, Trumps letzte verbliebene GOP-Rivalin, bei einer Kundgebung in Dallas im Februar, bevor sie aus dem Präsidentschaftsrennen ausstieg. „So gewinnt man nicht.“

Bei der ersten Anklageerhebung im April in New York wurde kein öffentliches Polizeifoto veröffentlicht, aber an den Verkaufsständen bei Trumps Kundgebungen und republikanischen Konferenzen wurden bereits Hemden, Schilder und Magnete mit Trumps Gesicht auf einem Lineal angeboten. Seine Größe wurde (wie im Laufe der Jahre) uneinheitlich mit 6 Fuß und 3 Zoll (Anm.: rund 1,90 Meter), 6-4 (1,93 Meter) oder sogar 6-5 (1,96 Meter) angegeben.

Auch andere Angeklagte in Trump-Prozessen nutzen ihr Polizeifoto politisch

Ohne öffentliche Polizeifotos in den Fällen in Washington oder Florida war der Fall in Fulton County der erste, der ein solches enthielt. Als Trumps Mitangeklagte begannen, sich im Gefängnis zu melden, wurden die Bilder ihrer Gesichter vor der Kulisse des Sheriffbüros in den sozialen Medien verbreitet. Der ehemalige GOP-Vorsitzende von Georgia, David Shafer, der als Mitverschwörer angeklagt wurde und auf nicht schuldig plädierte, machte sein Polizeifoto zu seinem Profilbild auf X, der Website, die früher als Twitter bekannt war. Andere, darunter Mike Roman, ein ehemaliger Mitarbeiter der Trump-Kampagne, sammelten mit seinem Polizeifoto Geld – er hat etwa 62.000 Dollar für seinen Rechtsverteidigungsfonds gesammelt.

Brian Robinson, ein in Georgia ansässiger GOP-Berater, verglich die Reaktion auf das Polizeifoto mit der, als Hillary Clinton die Hälfte von Trumps Anhängern als „Korb von Bedauernswerten“ bezeichnete. „Plötzlich trugen die Leute T-Shirts mit der Aufschrift ‚Ich bin ein Bedauernswerter‘. Das ist eine Art, sich über seine Gegner lustig zu machen“, sagte er.

Trumps Mitarbeiter begannen, sich über die Polizeifotos zu freuen, sobald sie für die Mitangeklagten auftauchten, und verbreiteten sogar ein Meme mit den Fotos, die als Halloween-Kostüme gestaltet waren. Nachdem das Sicherheitspersonal bei der ersten republikanischen Vorwahldebatte Flugblätter mit Fotos von Trump-Mitarbeitern verteilt hatte, die nicht in den Diskussionsraum gelassen werden durften, weil ihr Kandidat nicht an den Debatten teilnahm, erstellten die Mitarbeiter ihre eigenen parodierten Verbrecherfotos. Sie legten diese Fotos auf den Hintergrund des Fulton County-Gefängnisses. Als Präsident Biden im August nach Trumps Polizeifoto gefragt wurde, sagte er, er habe es im Fernsehen gesehen. „Ein hübscher Kerl. Ein wunderbarer Kerl“, fügte er sarkastisch hinzu.

T-Shirt mit Trump-Polizeifoto zu festem Teil von Wahlkampf geworden

Trump war entschlossen, sein eigenes Polizeifoto genau richtig hinzubekommen, sagten Berater, und er sagte zu anderen: „Man hat nur eine Chance“ und: „Man kann es nicht noch einmal machen“. Die Mechanik war eine Herausforderung, da das Foto von oben aufgenommen wird und nur einen kurzen Moment Zeit hat. Sobald er im August letzten Jahres das Gefängnis betrat, kursierten im Internet Falschmeldungen. Das echte Bild schließlich zeigte Trump in seinem charakteristischen blauen Anzug, weißem Hemd und roter Krawatte, mit finsterem Blick in die Kamera. Er und seine Berater waren der Meinung, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.

Das Polizeifoto-Shirt ist zu einem festen Bestandteil von Trumps Wahlkampfveranstaltungen geworden. Ein T-Shirt-Käufer in Iowa erhielt detaillierte Pflegeanweisungen, um es zu erhalten: von innen nach außen mit Feinwaschmittel waschen und auf der Leine trocknen. Einige Trump-Anhänger sagten, sie bewahrten das T-Shirt mit dem Verbrecherfoto speziell für seine Kundgebungen auf, während andere sagten, sie würden es auch in unpolitischen Situationen tragen, zum Beispiel in der Kirche.

David Cast, der nach Greensboro, North Carolina., kam, um vor einer Trump-Kundgebung in diesem Jahr Trump-Werbeartikel zu verkaufen, bezeichnete das Trump-Mug-Shot-Shirt als „Ikone“ und „ein Stück Kunstgeschichte“. „Um ehrlich zu sein, ist es eines der meistverkauften Hemden“, sagte er. „Normalerweise sind sie bei jeder Kundgebung ausverkauft.“

Trump-Anhänger tragen Shirt mit Polizeifoto als Zeichen der Solidarität mit dem Ex-Präsidenten

Jon Bottorff, Inhaber von Black Dog Printing in Richmond, Indiana, beschrieb sein Unternehmen als „linksorientiert“ und sagte, er wolle Trumps Polizeifoto drucken, sobald es herauskomme. Er schätzt, dass er etwa 50 Hemden verkauft hat. „Wir dachten uns: ‚Zur Hölle, ja, dieser Kerl muss endlich mit den Konsequenzen seiner Handlungen fertig werden‘“, sagte Bottorff. „Die rechte Seite benutzte das Polizeifoto als eine Art Schlachtruf ... Ich verstehe das nicht wirklich, denn es ist ja so, dass er sich selbst gestellt hat. Sie sagen: ‚Niemals aufgeben‘ oder so etwas in der Art. Aber es ist, als hätte er sich gestellt, als hätte er kapituliert.

Für viele von Trumps Anhängern ist es ein Zeichen der Solidarität mit dem ehemaligen Präsidenten. „Das Hemd steht für all die verschiedenen Dinge, die die Demokraten versuchen, diesem Land anzutun“, sagte Ronald Colaresi, 71, auf Trumps Kundgebung in Conway. „Ich habe es für heute aufgehoben, um es zu tragen. Dies ist das zweite Mal.“ Er fügte hinzu: „Ich habe es an dem Tag getragen, an dem ich es gekauft habe, ich habe es einfach sofort angezogen.“

Scott Clement, Dylan Wells und Perry Stein haben zu diesem Bericht beigetragen.

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Dieser Artikel war zuerst am 9. April 2024 in englischer Sprache bei der „Washingtonpost.com“ erschienen – im Zuge einer Kooperation steht er nun in Übersetzung auch den Lesern der IPPEN.MEDIA-Portale zur Verfügung.